Liebe Schüler*innen,
nach einem intensiven und besonderen Samstag möchte ich mich von Herzen bei euch allen bedanken. Eure Unterstützung, euer Zuspruch und eure Anwesenheit haben diesen Tag für mich unvergesslich gemacht. Es war nicht nur ein großer Schritt in meiner persönlichen Taekwon-Do-Reise, sondern auch ein Beweis für die Stärke unserer Gemeinschaft. Daher gilt mein besonderer Dank an all die zahlreichen Helfer:innen am Tag selbst und in den Wochen davor. Ihr habt mir geholfen ein so gutes und hohes Niveau zu erreichen.
Ich bin stolz, eurer Lehrer sein zu dürfen und sehe es als eine meiner wichtigsten Aufgaben, euch weiterhin auf eurem Weg zu begleiten, damit auch ihr euer volles Potenzial entfalten könnt. Die Prüfung war für mich nicht nur eine Herausforderung, sondern auch eine Gelegenheit, über alles nachzudenken, was Taekwon-Do mir und uns allen bedeutet und ich freue mich diesen Weg gemeinsam mit euch allen zu gehen.
Die Bilder des Tages sind bereits in unserer Online-Lernakademie hochgeladen und es sind auch viele schöne Eindrücke von den Lehrgängen. Wenn ihr Bilder oder Videos habt, würde ich mich sehr freuen, wenn ihr diese im Originalen hier hochladen würdet.
Nochmals vielen Dank für alles, was ihr beigetragen habt. Dieser Erfolg gehört nicht nur mir, sondern uns allen. Ich freue mich auf viele weitere gemeinsame Erlebnisse und Herausforderungen.
Mit herzlichen Grüßen,
Björn
Weiterlesen für meinen Vortrag im Rahmen der Prüfung.
Taekwon-Do als Samen zur Entfaltung der Potenziale
Liebe Sabine, lieber Süleyman, liebe Schulleiter*innen, liebe Schüler*innen, liebe Freund*innen,
heute ist ein ganz besonderer Tag für mich: Hier zu stehen, erfüllt mich mit Dankbarkeit, aber auch mit Demut. Denn ich weiß, dass dieser Moment nicht nur das Ergebnis vieler Jahre des Trainings ist, sondern auch ein Symbol für das, was Taekwon-Do mir und vielen anderen bedeutet.
Meine erste Begegnung mit Taekwon-Do hatte ich im Alter von sechs Jahren. Doch nach zwei Jahren verließ ich diesen Weg, noch bevor ich seine wahre Bedeutung erfassen konnte. Mein damaliger Lehrer, Uwe Zimmermann, sagte mir, ich würde es eines Tages bereuen, aufgehört zu haben. Diese Worte blieben in meinem Gedächtnis, auch wenn ich ihre Tragweite erst viel später begreifen sollte.
Erst nach fast fünfzehn Jahren, mit einundzwanzig, kehrte ich zurück. Und diesmal war es anders. Als ich den Dojang betrat, spürte ich eine tiefe Verbundenheit, die ich all die Jahre vermisst hatte. Es war, als hätte sich in mir eine Tür geöffnet, die lange verschlossen war. Unter meinem damaligen Lehrer, Gerd Göres, entfachte sich in mir ein Feuer, das mich dazu brachte, intensiv an mir und meiner Technik zu arbeiten. Nach nur drei Jahren legte ich meine Schwarzgurtprüfung ab und übernahm zwei Jahre später das Taekwon-Do Center Heidelberg.
In dieser Zeit lernte ich, dass der Weg des Taekwon-Do nicht nur auf der Matte verläuft, sondern tief in unser tägliches Leben hineinwirkt. Dass Meister Kwon, Jae-Hwa – der Begründer des Taekwon-Do in Deutschland und Europa – mich dann als seinen Schüler aufnahm, war ein weiterer Meilenstein auf meinem Weg. Seine Lehren zeigten mir, dass Taekwon-Do weit mehr ist als Techniken und Formen. Es ist eine Lebensphilosophie, eine Art, die Welt und sich selbst zu verstehen.
All diese Einsichten führten mich dazu, meine Doktorarbeit über die Rolle der Taekwon-Do-Lehrer als Gesundheitsförderer zu schreiben. Dabei wurde mir bewusst, wie viel Potenzial in dieser Kunst steckt, wie viele Möglichkeiten, sich selbst und anderen zu helfen, verloren gegangen oder nicht ausreichend weitergegeben wurden.
Als ich dann vor fünf Jahren in die Gemeinschaft mit Sabine, Süleyman, Fred, Jakob, Robert und all den anderen, die heute hier hergekommen sind, aufgenommen wurde, wurde mir bewusst wie wichtig Gemeinschaft, Vertrauen und die respektvolle Begegnung auf Augenhöhe ist.
Meine Gedanken und Erfahrungen habe ich in meinem Buch „Die Entdeckung der Kampfkunst“ festgehalten. In diesem Buch versuche ich, die Tiefe und den Reichtum des Taekwon-Do zu zeigen, nicht nur als Sport oder Selbstverteidigung, sondern als Weg zur Selbsterkenntnis, zur inneren Ruhe und Lebendigkeit. Ich möchte meine Erkenntnisse und Ideen teilen, um andere zu inspirieren, ihren eigenen Weg zu finden und die Möglichkeiten, die in ihnen schlummern, zu entdecken. Das Buch soll zu Weihnachten veröffentlicht werden (wer Interesse hat, kann sich in die auslegende Liste eintragen).
Was bedeutet es für mich, Großmeister zu sein?
Als Sabine und Süleyman mich fragten, ob ich die Prüfung zum 5. Dan ablegen möchte, wusste ich zunächst nicht, ob ich bereit bin. Was bedeutet es wirklich, ein Meister zu sein? Diese Frage führte mich auf eine Reise der Selbstreflexion und des Nachdenkens. Die Antwort darauf habe ich nicht sofort gefunden. Es war ein Prozess, der mich tief in mein Inneres blicken ließ.
Für mich ist ein Großmeister jemand, der nicht nur Techniken lehrt, sondern der die Verantwortung übernimmt, das Wesen und die Werte der Kampfkunst weiterzugeben. Es ist jemand, der nicht nur die Bewegungen beherrscht, sondern der den Geist der Kampfkunst lebt – mit all ihren Prinzipien und Philosophien. Er ist jemand, der andere dabei unterstützt, ihre eigene Stärke zu finden und über sich hinauszuwachsen.
Ein Großmeister ist kein allwissender Lehrer, der alle Antworten hat. Er ist ein Begleiter auf dem Weg, der seine eigenen Erfahrungen teilt und anderen hilft, ihre eigenen Antworten zu finden. Es geht darum, in den Menschen, die zu uns kommen, eigenständige Persönlichkeiten mit individuellen Stärken und Potenzialen zu sehen. Meine Aufgabe sehe ich darin, einen Raum zu schaffen, in dem sie alle entfalten können.
Die Welt verändert sich, und mit ihr auch die Bedürfnisse der Menschen. Früher suchten viele in der Kampfkunst vor allem körperliche Stärke oder die Fähigkeit, sich zu verteidigen. Heute, in einer Zeit der ständigen Beschleunigung und Unsicherheit, suchen die Menschen nach innerer Balance, nach einem Weg, zu sich selbst zu finden. Als Großmeister sehe ich es als meine Aufgabe, diesen Wandel zu begleiten. Es reicht nicht, nur an den Traditionen festzuhalten. Wir müssen das Alte bewahren und gleichzeitig offen sein für das Neue.
Taekwon-Do ist mehr als ein Weg, sich körperlich zu stärken. Es ist ein Weg das eigene Selbst und die innere Lebendigkeit zu finden. Als Großmeister möchte ich meinen Beitrag dazu leisten, diese Ideen weiterzugeben. Ich möchte andere – ob Schüler*innen, Trainer*innen oder Meister*innen – ermutigen, ihren eigenen Weg zu finden, sich weiterzuentwickeln und die Grenzen des Möglichen zu verschieben – in der Kampfkunst und darüber hinaus.
Es ist meine Überzeugung, dass jeder Mensch ein einzigartiges Potenzial in sich trägt, das oft verborgen bleibt, weil uns der Mut oder die Gelegenheit fehlt, es zu entdecken. Meine Aufgabe ist es, diesen Mut zu fördern, Menschen zu inspirieren, sich selbst herauszufordern und über sich hinauszuwachsen. Ich möchte eine Brücke sein zwischen der traditionellen Kampfkunst und den Herausforderungen unserer modernen Welt, zwischen dem, was war, und dem, was möglich ist.
Ein Großmeister ist nicht nur der Hüter der Tradition, sondern auch ein Gestalter der Zukunft. Er ist jemand, der die Wurzeln bewahrt und dennoch den Mut hat, neue Wege zu gehen. Es geht nicht darum, in der Vergangenheit zu verharren, sondern die Kampfkunst lebendig zu halten, sie weiterzuentwickeln und ihr in unserer Zeit einen Platz zu geben. Ich sehe es als meine Aufgabe, den Menschen zu zeigen, dass die wahre Meisterschaft darin liegt, sich selbst zu erkennen, sich weiterzuentwickeln und in Harmonie mit sich und der Welt zu leben.
Zum Abschluss möchte ich sagen:
Der Weg des Taekwon-Do endet nie. Er fordert uns, stets weiterzugehen, uns selbst immer wieder neu zu entdecken und dabei auch anderen zu helfen, ihren Weg zu finden. Möge Taekwon-Do uns allen als Werkzeug dienen, das Beste in uns hervorzubringen und unsere Potenziale voll zu entfalten. Lasst uns diese Samen der Entfaltung überall verstreuen.
Vielen Dank Sabine und Süleyman, dass ihr an mich glaubt und mich nun schon so viele Jahre auf meinem Weg begleitet und mich inspiriert!
Dr. Björn Pospiech